Parlament oder Gemeindeversammlung? Diese Frage stellt sich derzeit in Wallisellen. Am Samstag hat ein Teil der Stimmbevölkerung an einem Mitwirkungsanlass über die Vor- und Nachteile der beiden Systeme diskutiert.
«Manche Leute trauen sich an der Gemeindeversammlung nicht, etwas zu sagen», beklagte sich ein langjähriger Bewohner von Wallisellen. «Alle gehen für eine Stunde an die Versammlung und hoffen auf das Bier danach.» Und eine Frau meinte: «Es ist offensichtlich, dass eine Reform nötig ist.»
Es wurde intensiv debattiert am Samstag im Saal zum Doktorhaus in Wallisellen. Rund 60 Personen waren gekommen, um ihre Meinung zur Parlamentsgemeinde kundzutun, aber auch, um sich über die Erfahrungen anderer Gemeinden zu informieren. Dazu hatten der Gemeinderat und die Schulpflege von Wallisellen Vertreter anderer Gemeinden eingeladen, in denen das Parlamentssystem bereits in Kraft ist.
So waren neben Gemeindevertretern aus Wetzikon auch Romaine Rogenmoser, Präsidentin des Bülacher Gemeinderats, und Vizepräsident Daniel Ammann sowie Kurt Hottinger, Stadtrat von Kloten, und die Klotener Gemeinderäte Irene Frischknecht und Christoph Fischbach gekommen, um Fragen der Stimmberechtigten zu beantworten.
Dazu hatten die Organisatoren acht Tische aufgestellt, an denen sechs unterschiedliche Fragen behandelt wurden, zum Beispiel, wie es um die Professionalisierung der politischen Arbeit mit einem Parlament steht. Eine Frage, die unter anderem mit Christoph Fischbach diskutiert wurde.
Doch auch Tobias Hofstetter, Präsident der Walliseller SP, war dabei. Er hatte die Idee eines Parlamentssystems in Wallisellen lanciert. Für ihn bringt ein Parlament nur Vorteile. «Die Behördenmitglieder verhandeln in einem kleinen Kreis», kritisierte er. «Da wäre ein Parlament viel transparenter. Zudem würden sich wieder mehr Leute politisch betätigen.»
Kosten sind Diskussionspunkt
Ob dem tatsächlich so wäre, war aber umstritten. Ebenso die Mehrkosten, die die Gemeinde für ein Parlamentssystem berappen müsste. Immerhin kostet die Parlamentsgemeinde mit geschätzten 500 000 Franken pro Jahr zehnmal mehr als die Versammlungsgemeinde. Auf den Einwand, das Parlament sei teurer und qualitativ nicht besser, entgegnete Fischbach: «Wallisellen könnte sich das leisten, die Gemeinde nagt ja nicht am Hungertuch.
Und ob die Qualität besser ist, misst sich an der Zufriedenheit der Bevölkerung.» Doch nicht nur in Bezug auf die Kosten gab es skeptische Voten. So sagte eine Frau, dass es auch bei einem Parlament zu einer Art Lobbying kommen könne.
Bei den Debatten wurde das Misstrauen vieler offenkundig, was den Status quo anbelangt. Vor allem am Tisch, an dem die Frage im Zentrum stand, ob die Parteien mit einem Parlament mehr Einfluss und Verantwortung hätten. «Einige Parteien sind in der Gemeindeversammlung schlicht inexistent», meinte ein Gast, «die linken Parteien verstehen es, sich in Position zu bringen.»
Ein anderer bemängelte, dass sich die Leute von den Parteien nicht mehr vertreten fühlten, und ein Dritter fand sogar, die Parteien seien generell sehr unbeliebt. Mit einem Parlament, so die Folgerung, könne die Kontrolle über die Exekutive allenfalls verbessert werden.
Ein Thema ausgelassen
Abschliessend durften die Diskussionsteilnehmenden ihre persönliche Einschätzung zum Mitwirkungsanlass abgeben. Viele begrüssten die offene Diskussionskultur. Einige kritisierten aber auch, dass das Thema Einheitsgemeinde nicht behandelt worden war. Die Initiative der Einheitsgemeinde war wie die Initiative zur Einführung eines Parlaments vor einem Jahr eingereicht worden.
Zufrieden zeigte sich dagegen Hofstetter. «Ich habe von vielen vernommen, dass sie die Parlamentsgemeinde befürworten», sagte er. «Es wäre auch ein gutes System, speziell für Wallisellen, da hier das Interesse der Bevölkerung an der Politik stetig abnimmt.» Allerdings dämpfte Hofstetter auch die Euphorie etwas: «Ich muss erst noch meine eigene Partei von der Idee überzeugen.»
Michel Sutter 04.09.2017
für den Zürcher Unterländer