Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten? Darüber stimmen wir am 28. Februar ab. Worum geht es?
Vor sieben und auch vor vier Jahren geschah es. Die Agrarpreise explodierten. Mitte 2008 lagen sie dreimal so hoch als zu Beginn des Jahrtausends. Kurz darauf sackten die Preise wieder ab, um nur kurze Zeit später neue Rekordwerte zu erreichen. Der Preissprung hatte dramatische Folgen. Millionen Menschen mussten hungern. Es gab Proteste, Gewalt, Umstürze. Die Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO schätzt: Die Krise 2007/08 bedeutete für rund 80 Millionen Menschen Hunger. In Pakistan beispielsweise nahm die Armut um 35 Prozent zu. In Äthiopien mussten die Menschen ihren Kalorienkonsum um einen Viertel reduzieren.
So beginnt die Studie von Markus Mugglin zur Nahrungsmittelspekulation. Wer obige Sätze für übertrieben hält, der irrt. Die Studie ist keine Abstimmungswerbung sondern sehr objektiv, denn sie stellt Entscheidungsgrundlagen für die Hilfswerke bereit. Die Schlussfolgerung: es gibt verschiedene Meinungen in der Forschung, aber die Tendenz belegt: Spekulation mit Agraprodukten verstärkt die Preisschwankungen massiv.
Landwirtschaft war schon immer mit Risiken verbunden, Ueberschwemmungen, Dürren oder Krankheiten führen zu Missernten, tiefe Verkaufs- oder hohe Einkaufspreise zu Bankrott. Es gibt Finanzgeschäfte die solche Risiken versichern und Investitionen in die Nahrungsmittelproduktion ermöglichen. Diese Art der Spekulation ist nützlich - auch für die Armen in den Ländern des Südens - und wird von der Initiative explizit erlaubt.
Im Gegensatz dazu die schädliche Spekulation - Finanzkonzerne wetten auf Nahrungsmittelpreise. Das ist keine Versicherung sondern Profit aus Hunger und Armut, ohne reale Werte zu schaffen. Weniger die Preise selbst als ihre Schwankungen behindern eine nachhaltige Entwicklung. Selbst wenn eine Preisspitze nach wenigen Monaten zusammenfällt - für eine Familie, die drei Viertel ihres Einkommens für die nötigsten Lebensmittel braucht, ist das katastrophal, oft tödlich. Umgekehrt können auch kurzfristige Tiefpreise Kleinbauern in den Ruin treiben - sie landen dann vielleicht in den Slums der Grossstädte oder bei uns als «Wirtschaftsflüchtlinge».
Die Situation ist so dramatisch, dass die USA und die EU Massnahmen dagegen beschlossen haben. Die Credit Suisse und die Zürcher Kantonalbank haben einen Teilausstieg aus diesen Geschäften beschlossen. Wie wir zur Genüge erfahren haben, kann sich der Finanzplatz Schweiz in Geschäftsfelder verrennen, die zu einem Debakel werden. Es braucht Leitplanken durch die Politik - zum Beispiel ein Ja am 28. Februar zur Volksinitative «keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!»
dieser Artikel erschien am 28. Januar 2016 im Anzeiger von Wallisellen