SP: Menschenbild in der Sozialpolitik
Zum Fussball und zur Sozialhilfe hat beinahe jeder eine Meinung. Diese basieren jedoch meist auf einer emotionalen Grundhaltung und nicht auf Fakten.
Warum glauben bloss so viele Menschen, dass in den Sozialämtern Heerschaaren von Betrügern unser Steuergeld ergaunern, in Saus und Braus leben, während wir im Schweisse unseres Angesichtes jeden Franken mühsam verdienen müssen? Ein Blick in die Statistik würde solche Vorurteile rasch beseitigen. Im Grunde gibt es vier grosse Gruppen, welche einen Löwenanteil der Sozialgelder beziehen. Da sind jene Pensionäre, die keine oder nur eine marginale Pensionskassenrente haben und somit auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind. Von der AHV allein kann niemand leben. Dann sind da die allein Erziehenden, welche die Wahl haben zu arbeiten, wobei die Fremdbetreuung der Kinder so teuer ist, dass sie dennoch von der Sozialhilfe abhängig bleiben. Und schliesslich ist da noch die wachsende Gruppe der Working Poor, also jener, die 100 Prozent arbeiten und dennoch nicht genug verdienen.
Die vierte Gruppe ist etwas mehr zusammengewürfelt. Es handelt sich um Leute, die aus den verschiedensten Gründen auf dem Arbeitsmarkt schwer zu vermitteln sind. Darunter mag es durchaus auch den einen oder anderen Faulpelz geben, aber die meisten in dieser Gruppe haben andere Probleme, gesundheitliche, psychische oder eine Sucht.
Das Menschenbild macht die Haltung
Nun gibt es zwei Arten von politischen Haltungen. Man kann versuchen, die Realität zu sehen, wie sie ist und die Bewertungen seinem Verstand anzuvertrauen. Oder sich von Emotionen bestimmen zu lassen. Ich finde es ebenso falsch, Sozialhilfeempfängern mit Wut und negativen Vorurteilen zu begegnen, wie sie mit naiver Gutmenschen Hilfsbereitschaft betreuen zu wollen. In einem Rechtsstaat muss versucht werden, den Faktor Willkür nach beiden Seiten hin auszuschalten. Genau dazu wurden die sog. SKOS Richtlinien von Fachleuten erarbeitet. Nur mit einer rechtlich verbindlichen Regulierung kann sichergestellt werden, dass unsere Behörden den Grundsätzen von Gerechtigkeit und Gleichheit Nachachtung verschaffen und sich die Gemeinden nicht einen Dumpingwettbewerb liefern, um Sozialhilfeempfänger los zu werden.
Das Schüren von Vorurteilen
Ein anderes Thema ist die Tatsache, dass es Kreise gibt, die ein Interesse daran haben, gegen Sozialhilfeempfänger und somit auch gegen die Arbeit der Behördenmitglieder zu hetzen. Was mich beschäftigt, sind jedoch nicht die Motive derjenigen, die Hass und Neid schüren. Diese sind ja klar, sie wollen Wählerstimmen. Ich finde es aber bedenklich, dass man mit solchen unsachlichen Kampagnen auf fruchtbaren Boden trifft. Warum sind so viele Leute dazu bereit, Horrorgeschichten Glauben zu schenken und sich vorzustellen, dass unsere Behörden systematisch, ungeprüft und fahrlässig Unsummen an Faulpelze verteilen? Und warum machen dieselben Menschen Augen und Ohren zu, wenn man sie mit Fakten versorgt, welche die Tatsachen richtigstellen?
Bedürfnis nach Feindbild
Jeder kennt die Situation, z.B. bei Konflikten im Strassenverkehr. Leute die völlig unverhältnismässig ausrasten, so dass sich die Vermutung einstellt, dass hier eine Wut herauskommt, die mit der Situation gar nichts zu tun hat. Ich glaube, dass viele Menschen einfach ein Feindbild brauchen, um ihr eigenes Leben, ihre Enttäuschungen und Niederlagen zu erklären. Das ist das Pfund, mit dem seit jeher die Inquisitoren und ihre Nachfolger, die Populisten, wuchern. Dagegen kann nur – jeder für sich – in seinem Geist versuchen, sich Klarheit und Urteilskraft zu bewahren und nicht von negativen Emotionen anstecken zu lassen. Und dann haben wir die Wahl, uns für das Festhalten an einer starken solidarischen Gemeinschaft zu entscheiden, die ein Erfolgsmodell ist.