SP: Bedingungsloses Grundeinkommen - Volksabstimmung vom 5. Juni
Auch wenn man der Volksinitiative zur Einführung eines Grundeinkommens im Ernst nicht zustimmen kann, stellt die Debatte darüber dennoch wichtige Fragen.
Seit den Steuersenkungsexzessen von Ronald Reagan und Margaret Thatcher, welche seither überall nachgeahmt wurden, erleben wir, wie die Einkommen und Vermögen sich immer mehr konzentrieren, während die Mittelschicht allmählich schwindet und die Verschuldung der Staaten exorbitant angestiegen ist. Für diesen Schlammassel verantwortlich ist der Ökonom Milton Friedman, dessen Trickle down Theorie – dass wenn man die Reichen reicher macht, auch etwas für die anderen abfällt - Reagan und Thatcher mit Begeisterung gefolgt sind. Und nun hatte dieser Friedman ebenfalls die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens lanciert. Somit handelt es sich also nicht etwa um ein linkes Projekt, sondern um das Modell eines Ökonomen, der als Berater des Diktators Pinochet am ganz rechten Rand des politischen Spektrums anzusiedeln ist.
Friedmans Korrektiv
Offensichtlich hat Friedman gewusst, dass seine Politik am Ende über 90 Prozent der Bevölkerung marginalisieren würde und dass man diese Leute, die sich selbst mit mehreren Jobs nicht mehr über Wasser halten können, mit Geld versorgen muss, damit der Konsum und somit die Marktwirtschaft nicht zusammenbricht.
Eigentlich zeigt uns dieser Vorschlag nur, wie absurd die neoliberalen Wirtschaftsmodelle der Chicago School im Grunde sind. Und wie wenig mit einer funktionierenden Demokratie zu vereinbaren. Vom Gedanken der Leistungsgerechtigkeit ganz zu schweigen. Die breite Masse soll leistungslose Almosen bekommen, währen die Elite sich an einer Oligopolwirtschaft mästet und ihre absurden Vermögen an die dekadenten Sprösslinge vererbt, steuerfrei natürlich.
Was für eine Gesellschaft wollen wir?
Die Lage wird nun noch dadurch verschlimmert, dass die digitale Revolution zahllose Arbeitsplätze vernichtet. Das Heer der arbeitslosen Jugendlichen rund ums Mittelmeer ist bereits jetzt ein Faktor, der die Politik destabilisiert. Also. Da sind auf der einen Seite riesige Produktivitätsgewinne, welche die moderne Technik mit sich bringt und auf der anderen Seite immer mehr Menschen ohne Einkommen. Da ist es doch erstmal ein einleuchtender Gedanke, die Wohlstandsprofite einfach zu verteilen, warum nicht, Problem gelöst.
Faktor Mensch
Die kommunistischen Theorien sind bereits daran gescheitert, dass der Mensch nicht so ist, wie die Theorie es haben will. Bei den neoliberalen Theorien ist es ebenso. Nur eine kleine Minderheit war in den zentralen Planwirtschaften motiviert, ihren Fleiss zugunsten der Allgemeinheit einzusetzen. Der Egoismus der grossen Masse verwirklichte sich in einer gigantischen korrupten Schattenwirtschaft. Ich bin davon überzeugt, dass es mit dem bedingungslosen Grundeinkommen ähnlich wäre. Nur wenige wären dazu in der Lage, mit einer solchen Situation fruchtbar umzugehen, eine sinnvolle und für die Allgemeinheit nützliche Rolle für sich zu finden. Die meisten würden einfach zu einfältigen Faulpelzen. Von der Sogwirkung, wenn das nur die Schweiz einführen würde, mal ganz abgesehen.
Gemeinschaftsdienst
Die Einführung eines Gemeinschaftsdienstes, den jeder und jede leisten muss: Nun, ich finde das eine viel bessere Idee. Wäre ein Politiker oder Manager, der mal ein Jahr im Altenheim Leute gepflegt hat, nicht ein besserer Mensch, der seiner Verantwortung eher gerecht würde, weil er erfahren hat, dass es Werte gibt, die mehr zählen, als Geld? In Frankreich haben gerade Privatschulen grossen Erfolg, in welchen die Schüler ihr Schulhaus selber putzen. Solidarität schafft Gemeinschaft und Identität zugleich.
Mittelstand und Staat stärken
Gefragt ist somit eine grundsätzliche Umkehr, eine Abwendung von den neoliberalen Modellen, welche die Menschen bis zum Gehtnichtmehr individualisieren und zuletzt entwurzeln. Es war die Politik des Ökonomen Keynes, welche zwischen 1945 und 1980 den modernen Staat und eine breite Mittelschicht geschaffen hat. Und dies bedeutet in erster Linie, dass der Reichtum nach oben begrenzt werden muss, damit für die in der Mitte und unten etwas übrig bleibt. So einfach ist das.
dieser Artikel erschien am 12. Mai 2016 im Anzeiger von Wallisellen